| Veranstaltung: | LMV Bremen |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 2. Anträge |
| Antragsteller*in: | Kirsten Kappert-Gonther |
| Status: | Eingereicht (ungeprüft) |
| Angelegt: | 12.09.2016, 19:36 |
A22: Gerechtigkeit – all inclusive
Antragstext
Unsere Gesellschaft ist gespalten und droht weiter auseinanderzufallen – in
Bremen, in Deutschland und weltweit.
Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Dabei ist der
allgemeine Lebensstandard in Deutschland gestiegen und in der Regel so hoch,
dass alle in unser Gesellschaft gut leben und wir den Menschen, die vor Not und
Vertreibung zu uns fliehen, eine neue Heimat bieten können. Allerdings ist der
Zugang zu Bildung, Gesundheit und Arbeit, zu bezahlbarem Wohnraum und vielem
mehr nicht gerecht verteilt. Die Chancen der Kinder sind abhängig vom Ort und
dem Umfeld, in dem sie aufwachsen. Die Lebenserwartung hängt neben individuellen
Faktoren davon ab, wo Menschen leben, in welchem Staat, in welcher Region
Deutschlands. Auch innerhalb Bremens gibt es erhebliche Unterschiede.
Immer mehr Menschen haben das Gefühl, nichts beitragen zu können, oder dass ihre
gesellschaftliche Beteiligung nicht gewollt wird. Rechte Kräfte spalten die
Gesellschaft weiter und nutzen dann diese Spaltung für ihre populistischen
Zwecke aus. Das wollen wir ändern. Dem stellen wir unser grünes Konzept für
gesellschaftlichen Zusammenhalt, Solidarität und Teilhabe aller entgegen.
Wir sind davon überzeugt, dass gleiche Rechte und unbedingte Teilhabechancen für
alle unverzichtbar nicht nur für das individuelle Wohlergehen, sondern für die
gesamte Gesellschaft sind. Dieses nennen wir Inklusion und es funktioniert über
Empowerment. Empowerment heißt, eine Gesellschaft traut all ihren Mitgliedern
zu, einen wertvollen Beitrag zum Gemeinwohl leisten zu können, wünscht diesen
Beitrag und tut etwas dafür, damit alle in die Lage versetzt werden, sich zu
beteiligen und ihr Leben zu gestalten. Barrieren, die dies verhindern, wollen
wir abbauen.
Das ist ein entschiedener Beitrag gegen den Rechtsruck und für eine gerechte,
solidarische Gesellschaft.
Gerechtigkeit ist für uns Grüne umfassend. Die soziale und ökologische
Gerechtigkeit. Die Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern, den Generationen
und den Regionen der Welt und noch viel mehr. Für uns verbinden sich all diese
Formen von Gerechtigkeit miteinander. Gerechtigkeit ist immer unverzichtbares
Element für uns Grüne gewesen, leitet unsere Positionen und Handlungen und muss
heute noch deutlicher in unseren Fokus rücken, weil wir in einer Zeit leben, in
der die Stärkung des sozialen Zusammenhalts entscheidend für unsere Zukunft ist.
Das heißt, eine Haltung einzunehmen, die Vielfalt als Chance sieht und
gleichberechtigte Teilhabe aller als Selbstverständlichkeit.
Wir scheuen uns nicht zu fordern, dass für unsere Vorstellungen von einer
gerechteren Welt die leistungsfähigeren Teile der Gesellschaft deutlich mehr
schultern müssen, als sie es bisher getan haben. Deshalb dürfen wir gerade in
einer Phase des Absteckens grundsätzlicher politischer Ziele vor einer
Bundestagswahl nicht davor zurückschrecken, Vermögen, Erbschaften,
Kapitalerträge und sehr hohe Einkommen auch angemessen zu besteuern. Eine grüne
Steuer- und Finanzpolitik ist so Garant dafür, dass wir die ökologische und
soziale Gerechtigkeit auch fördern können.
Wir wissen, dass es keine soziale Gerechtigkeit ohne ökologische Gerechtigkeit
geben kann. Ökologie und Soziales immer zusammen zu denken kennzeichnet uns
Grüne. Gerade im Hinblick auf den Klimawandel zeigt sich, wie eng die
ökologische mit der sozialen Frage zusammenhängt: In den nächsten Jahren wird
die klimabedingte Migration nach Europa weiter zunehmen. Menschen vor den
Klimafolgen zu bewahren ist eine Frage globaler Klimagerechtigkeit. Die
Industriestaaten als Hauptverursacher der globalen Erwärmung sind verpflichtet,
weiter Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels zu ergreifen.
Armut nimmt Kindern schon am Anfang ihres Lebens Entwicklungsmöglichkeiten. Sie
haben einen schlechteren Start ins Leben. Kinderarmut ist gerade in Bremen ein
großes Problem. In Bremen und Bremerhaven wächst ein Drittel der Kinder in Armut
auf. Das muss sich ändern. Kinder dürfen für ihre Eltern kein Armutsrisiko sein.
Wir wollen, dass alle Kinder die Chance haben, ihr Leben gut gestalten zu
können.
Kinderarmut betrifft häufig die Kinder von Alleinerziehenden. Vielfach haben die
jungen Mütter ihre Ausbildung nicht abschließen können. Wir wollen ihnen
ermöglichen, dieses nachzuholen, z. B. durch verbindliche Regelungen für eine
Teilzeitausbildung. Erwerbsmöglichkeiten sind aber auch dadurch eingeschränkt,
dass die Kinderbetreuung nicht immer bedarfsgerecht ist. Wir brauchen deshalb
mehr flexible Kita-Plätze, die die Randstunden des Tages abdecken. Das ist
unverzichtbar für Eltern, die im Schichtdienst arbeiten. Die Fähigkeiten von
Frauen müssen angemessen wertgeschätzt werden, die ungleiche Bezahlung muss
beendet werden, die Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen
aufhören und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss immer noch deutlich
verbessert werden. Gleichzeitig müssen junge Menschen darin bestärkt werden,
Berufe zu erlernen, die ihren Fähigkeiten und Neigungen entsprechen, anstatt
sich von traditionellen Geschlechtervorstellungen leiten zu lassen.
Wir wollen, dass Kinder unter guten Bedingungen zur Welt kommen und unter
förderlichen Bedingungen aufwachsen können, unabhängig von ihrer Herkunft. Wir
wollen, dass Kinder gemäß ihren individuellen Fähigkeiten in Kita und Schule ein
gedeihliches Umfeld finden. Wir sorgen dafür, dass Kinder gemeinsam die Schule
besuchen können und erleben, dass alle etwas beitragen können, auch und gerade
wenn unterschiedliche Fähigkeiten vorliegen.
Unsere Bildungspolitik verfolgt das Ziel Bildungsbarrieren abzubauen. Alle
Kinder sollen die Chance auf Kultur- und Naturerfahrungen bekommen. Darum müssen
kulturelle Bildung und Ausflüge in die Natur selbstverständlicher Bestandteil
des Kita- und Schulalltags werden. Wir sind sicher, dass Menschen sowohl in
ihren intellektuellen als auch in ihren sozialen und seelischen Fähigkeiten
gefördert werden müssen. Die Inklusion an Schulen ist die richtige Antwort. Sie
muss besser werden, damit wirklich alle Kinder gute Chancen bekommen.
- in einzelnen Kitas die Betreuungszeiten auf die Randstunden früh morgens
und spät abends ausgeweitet werden.
- die Evaluation des Schulkompromisses genutzt wird, um das Ziel der
Entkoppelung der Bildungschancen von der Herkunft weiter zu verfolgen und
Inklusion als integralen Bestandteil aller Bildungsanstrengungen an allen
Schulen zu etablieren.
- kulturelle, soziale und politische Bildung als feste Bestandteile in die
Lernpläne aufgenommen werden.
Inklusion – also selbstverständliche Teilhabe aller, unabhängig von Herkunft,
Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion und Fähigkeiten – ist der Schlüssel
für eine solidarische Gesellschaft. Die solidarische Gesellschaft profitiert von
der entstehenden Vielfalt und Mitmenschlichkeit. Gemeinsam sind wir stark, weil
das Gemeinsame immer mehr ist als die Summe der individuellen Beiträge. Die
Fähigkeit einer Gesellschaft zu Gleichberechtigung zeigt und übt sich z. B. im
Umgang mit Menschen mit Behinderungen.
Quartiere sind der Ort des Zusammenlebens, die wir stärker entwickeln wollen. In
Nachbarschaften wachsen Kinder auf und in Nachbarschaften können Alte und
Hilfebedürftige gut versorgt leben. Wir setzen uns für die Entwicklung der
Stadtteile, des Quartiersgedankens ein, für kurze Wege und Barrierefreiheit. Gut
entwickelte Stadtteile bieten ein gedeihliches Lebensumfeld für Kinder und Alte,
für Menschen mit und ohne Behinderung. Die Wege zu Einkaufs- und
Entspannungsmöglichkeiten, zu Hausärzt_innen und ambulanten Pflegediensten
müssen sich mancherorts deutlich verkürzen. Nachbarschaften haben die Fähigkeit,
Menschen, die neu zu uns kommen, zu integrieren und willkommen zu heißen.
Bezahlbare Wohnungen dort zu finden, wo die Menschen auch leben wollen, wird
immer schwieriger. Gut zu wohnen gehört für uns zu einem der entscheidenden
Faktoren für soziale Gerechtigkeit in den Städten.
Die UN-Behindertenrechtskonvention muss flächendeckend in allen Lebensbereichen
umgesetzt werden. Wir wollen Bremen zu einem Bundesland machen, in dem alle
Menschen gut und so gesund wie möglich zusammenleben können.
Auf Bundesebene fordern wir Grünen ein modernes Teilhaberecht. Das
Bundesteilhabegesetz muss hierfür überarbeitet werden und die UN-
Behindertenrechtskonvention flächendeckend umgesetzt werden, zur Stärkung des
Selbstbestimmungsrechts für Menschen mit Behinderung und gleichberechtigter
Teilhabe für alle.
- die Ausrichtung der Angebote zu Pflege und Hilfen im Alltag für alte und
behinderte Menschen an den Interessen der Nutzer_innen und nicht an den
Interessen der Anbieter_innen.
- in den Stadtteilen und Nachbarschaften die Fantasie und den Mut für die
Entwicklung neuer Wohnformen und nachbarschaftlicher Strukturen anregen.
Grünes Gestalten ist in Bremen sichtbar und muss auch in Zukunft Bremen zu einem
lebenswerten Ort machen, an dem wir in Vielfalt und Unterschiedlichkeit gut
gemeinsam leben können.
Bremen ist mit der Einführung der Gesundheitskarte für Geflüchtete Pionier
gewesen. Bei uns in Bremen können Geflüchtete direkt zum Arzt gehen und
schneller wieder gesund werden.
Wir haben in Bremen in den letzten Jahren die Grundlagen für eine gute
Integration tausender neuer Mitbürger_innen geschaffen, für Wohnraum gesorgt und
die Beschulung überwiegend sichergestellt. Der zu leistende Kraftakt reicht noch
bis weit in die Zukunft. Auf diesen ersten Integrationsleistungen gilt es
aufzubauen und am Ball zu bleiben, damit neue Mitbürger_innen Teil unserer
Gesellschaft werden und wir uns gegenseitig bereichern können.
Sprache ist der Schlüssel zur Teilhabe. Der Zugang zu Sprachkursen muss zur
passenden Zeit erfolgen. Expert_innen sagen, dass ca. drei Monate nach Ankunft
dafür der richtige Zeitpunkt ist. Dann haben die Menschen die innere Offenheit,
Kraft und Motivation, um unsere Sprache lernen zu können.
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist noch viel zu schwer für Geflüchtete. Wir müssen
dafür sorgen, dass Neu-Bremer_innen sich auch durch Arbeit einbringen können.
Unsere Familien geben uns Halt und Geborgenheit. Es ist falsch und unmenschlich,
Geflüchteten die Familienzusammenführung durch die restriktiven Regelungen für
den Familiennachzug zu erschweren.
- müssen die kommunalen Sprachkurse in ihrem Stundenumfang erweitert und zu
Intensivkursen ausgebaut werden, dafür braucht es Räume und Personal.
- müssen alle Geflüchteten die Chance bekommen, innerhalb des ersten halben
Jahres nach Ankunft einen Sprachkurs besuchen zu können.
- muss Geflüchteten nach Absolvierung eines Vorkurses bzw. Erstsprachkurses
(zur Erlangung deutscher Sprachgrundkenntnisse) ein Platz in einem
weiterführenden Sprachkurs an schulischen oder außerschulischen
Einrichtungen sichergestellt werden, der auf ihren Sprachkenntnissen
aufbaut.
- müssen die Behörden, die für die Anerkennung ausländischer Abschlüsse
zuständig sind, zu serviceorientierten Institutionen weiterentwickelt
werden.
- müssen Berufsschulen und Qualifizierungsträger unterstützt werden, mit
interkulturell geschultem und sprachbewusstem pädagogischen Personal zu
arbeiten.
- müssen die Aktivitäten für Geflüchtete von Agentur für Arbeit, Jobcenter,
Landes- und Bundesprogrammen gebündelt und aufeinander abgestimmt
umgesetzt werden.
Im Bund wollen wir uns dafür stark machen, dass nicht nur Personen mit „guter
Bleibeperspektive“ (aktuell nur Personen aus Iran, Irak, Eritrea, Syrien und
Somalia) Deutschkurse des Bundes besuchen dürfen, sondern dass diese für alle
Personen mit „hoher Bleibewahrscheinlichkeit“ geöffnet werden.
Die grüne Handschrift, grüne Visionen für eine grüne, inklusive und wachsende
Stadt mit hoher Lebensqualität und Teilhabe für alle sind der Maßstab für unser
politisches Handeln in Partei, Fraktion und Regierung.
Wir Grünen werden momentan stärker denn je benötigt, um die Menschen in unserem
Land zusammenzubringen.
Unterstützer*innen
- Anja Stahmann
- Jan Fries
- Sonya Dase
- Prince M. Bona
- Henrike Müller
- Ralph Saxe
- Matthias Güldner
- Daniel Buscher
- David Lukaßen
- Thomas Kollande-Emigholz
- Anne Kroh
- Robert Hodonyi
- Kebire Yildiz
- Sülmez Dogan
- Anthrin Simon
- Philipp Bruck
- Jens Hirschberg
- Maike Schaefer
- Thomas Schäfer
- Anne Schierenbeck
- Michael Labetzke
- Joachim Marx
- Karoline Linnert
- Maximilian Thieme
- Søren Brand
- Carsten Werner
- Ulf Jacob
- Landesvorstand
- Alexandra Werwath